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#01: Vertrauensvolle Quellen - Information vs Fehlinformation

May 16, 2020

Wenn ich mir eine Meinung über den Klimawandel bilden möchte, wen kann ich fragen und wem kann ich vertrauen? Diese Fragen sind gar nicht so einfach zu beantworten.
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Der Klimawandel ist ein unglaublich komplexes Themengebiet, voller unterschiedliche Bereiche und Meinungen. Wenn man über den Klimawandel spricht, kann man über den globalen Temperaturanstieg, über schmelzende Eiskappen, über auftauende Permafrostböden, Methan und Kuhfurze, Modellvorhersagen, Korallenbleiche und über vieles mehr sprechen. Wer kann also bei all diesen Themen einen kühlen Kopf bewahren, um eine ganzheitliche Bewertung vornehmen zu können? Um es kurz zu machen: Niemand ist Experte auf all diesen Gebieten zugleich. Es gibt nicht diese eine Person, die uns im Detail alles sagen kann, was wir über den Klimawandel wissen müssen. Das wäre viel zu einfach. Aber lass Dich nicht entmutigen, denn es ist durchaus möglich, ein verlässliches Verständnis dessen zu gewinnen, was um uns herum in Sachen Klimawandel geschieht.

Wie bilden wir uns eine Meinung zu komplexen Themen?

Zunächst einmal müssen wir uns die Frage stellen, wie wir überhaupt ein Verständnis für ein so komplexes Thema wie den Klimawandel entwickeln können. Laien wie Du oder ich stehen hier vor einem riesigen Problem: Obwohl der Klimawandel scheinbar uns alle betrifft, sind wir nicht so leicht in der Lage, ihn richtig zu verstehen. Viele Menschen haben ja nicht einmal das Interesse, ihn zu verstehen (hier kann ich leider auch nicht weiterhelfen, sorry). Andere Leute sind interessiert, haben aber einfach nicht die Zeit, das Thema so detailliert zu studieren, dass sie eine fundierte Bewertung vornehmen können. Und selbst wenn sie die Zeit hätten, wüssten sie angesichts der schieren Menge an verfügbaren Informationen nicht, wo sie anfangen sollen. Und selbst wenn sie das Interesse und die Zeit hätten, sich mit dem Thema zu befassen, fehlt ihnen möglicherweise die Fähigkeit, zwischen widersprüchlichen Informationen zu unterscheiden. Und glaubt mir, es gibt viele widersprüchliche Informationen. Eigene detaillierte Recherchen zu dem Thema anzustellen, ist also gewiss nicht für jedermann möglich. Ganz und gar nicht.

Wenn wir uns bei so schwierigen Themen wie dem des Klimawandels eine Meinung bilden, verlassen wir uns oft unbewusst auf die Meinung anderer. Das ist weder zeitaufwendig noch ist es schwer, es hört sich doch also nach einem guten Deal an. Diese anderen Menschen können Deine Eltern, Freunde oder auch die Medien sein, die Du konsumierst. Ich kann mich beispielsweise daran erinnern, dass mein Vater mir in den neunziger Jahren sagte, er glaube nicht, dass der Mensch für den Klimawandel verantwortlich sei, denn die Wissenschaft zeigt, dass sich das Klima seit Millionen von Jahren verändert, und damals gab es ja noch gar keine Menschen. Warum sollten wir also dafür verantwortlich sein, wenn es sich heute ändert? Ich war damals ein Teenager und sah sehr zu meinem Vater auf, außerdem schien seine Argumentation ziemlich schlüssig. Und sie basierte sogar auf der wissenschaftlichen Fakten! Dieser Moment hatte zur Folge, dass meine Meinung zum Klimawandel für die nächsten 10 Jahre fest stand: Der Mensch konnte nicht dafür verantwortlich sein. Ich teilte diese Meinung auch mit meinen Freunden und war ziemlich selbstbewusst, sie auch zu verteidigen... Das war ein klassischer Fall der Meinungsbildung zu einem komplexen Thema, indem man jemandem zuhört, dessen Meinung man schätzt. Das muss nicht unbedingt ein Elternteil sein, sondern kann auch ein Freund sein, von dem Du vielleicht denkst, dass er ein schlauer Kerl ist und dessen Meinung sich in der Vergangenheit in vielen Dingen als richtig erwiesen hat. Und wir alle haben solche Freunde. Das ist also eine Möglichkeit, eine Meinung zum Klimawandel zu entwickeln.

Big News: Medien haben eine Agenda

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Eine andere, eher unbewusste Möglichkeit, sich eine Meinung über den Klimawandel zu bilden, ist der simple Konsum von Medien. Zeitungen, Fernsehen, Internet-Blogs (Kuckuck!)... der Klimawandel ist im Grunde überall. Und hier wirds nun etwas knifflig - normalerweise konsumiert man Medien ja nicht komplett zufällig, oder liest ständig unterschiedliche Meinungen zu polarisierenden Themen. Stattdessen wählen wir völlig frei die Zeitung, die wir gerne lesen, die Fernsehkanäle, die wir uns anschauen, und natürlich bewegen wir uns in unserer eigenen Internetblase, die uns hauptsächlich das erzählt, was wir gerne hören wollen. Indem wir also diese Auswahl treffen, entsteht auch gleichzeitig eine Voreingenommenheit in Bezug auf die Themen, über die wir lesen: Wenn die Zeitung, die ich gerade lese, immer wieder die von mir bevorzugte politische Partei schlechtmacht, werde ich einfach eine andere Zeitung lesen, die meine Ideologie unterstützt. Wenn ich einen Blog in meinen Bookmarks habe, der eine Einwanderungspolitik ablehnt, die mir aber gefällt, werde ich das Lesezeichen wahrscheinlich löschen und andere Blogs lesen, die mit meiner eigenen Weltanschauung übereinstimmen.

Aber durch die bewusste Auswahl der Medien, die Du aufgrund Deiner politischen Neigungen konsumierst, hast Du wahrscheinlich auch schon eine Entscheidung über Deine Meinung zum Klimawandel mit getroffen - ohne es überhaupt zu wissen. Obwohl die Realität und die Wissenschaft des Klimawandels nicht politisch sind und ihre Darstellung sicher nicht von Deiner Wahl der Medienkanäle abhängen sollte, sind die Folgen des Klimawandels sehr politisch. Denn wenn wir die Realität des vom Menschen verursachten Klimawandel anerkennen wollen, müssen wir auch die Notwendigkeit zum Handeln anerkennen. Und Handlungen sind durchaus politisch. Sie können beispielsweise die Bepreisung von Kohlenstoff-Emissionen und damit die Regulierung eines offenen Marktes bedeuten, der eigentlich frei sein sollte. Auf der einen Seite haben wir also konservative Medien, die dazu neigen, Maßnahmen und Marktregulierungen gegen den Klimawandel abzulehnen - sie könnten in extremen Fällen sogar seine Realität und seine Dringlichkeit in Frage stellen. Sie könnten auch leugnen, dass der Klimawandel überhaupt von Menschen verursacht wird. Sie werden Dir das sagen, um Dich davon zu überzeugen, dass keine Maßnahmen ergriffen werden müssen. Auf der anderen Seite haben wir progressive und liberale Medien, die sich für Marktregulierungen einsetzen, um den Klimawandel zu bekämpfen. Sie erkennen an, dass der Mensch möglicherweise der Hauptverursacher des Klimawandels ist. Sie lieben Solaranlagen, Windräder und Green New Deals. Aber einen Moment mal... bedenke bitte, dass es in Wirklichkeit natürlich nicht nur diese beiden Optionen gibt und dass diese Haltungen etwas vereinfacht dargestellt sind. Natürlich ist das wirkliche Bild nicht schwarz-weiß. Es soll Dir nur eine Vorstellung davon vermitteln, wie die sehr allgemeinen Meinungen über den Klimawandel in den heutigen Medienkanälen aussehen. Nichtsdestotrotz spiegeln Länder mit Zwei-Parteien-Systemen (wie z.B. die USA) ziemlich genau das Bild wider, was ich gerade mit meinem losen Stift in die Luft gezeichnet habe.

Da wären wir also mit unserer Meinungsbildung: Wir können Freunden und Familienmitgliedern zuhören, die wahrscheinlich genauso ahnungslos sind wie wir, auch wenn sie vielleicht den Eindruck erwecken, dass sie sich ihrer Meinung ziemlich sicher sind. Wir können unseren Medienkanälen zuhören, die wahrscheinlich eine Agenda haben, die unserer politischen Haltung entspricht. Das sind beides keine besonders attraktiven Möglichkeiten... wenn es doch nur eine andere, eine unabhängige Instanz gäbe, die wir um verlässliche Informationen bitten könnten! Glücklicherweise gibt es eine. Es ist die wissenschaftliche Gemeinschaft. Menschen, die tatsächlich ihren Lebensunterhalt in diesen Bereichen verdienen; Menschen, die bei unabhängigen Institutionen angestellt sind; Menschen, die Eiskerne bohren; Menschen, die Wetterstationen unterhalten und ihre Daten analysieren, den Meeresspiegel messen, das Ausbleichen der Korallenriffe untersuchen, Satellitenmessungen von Eisschichten analysieren, Computermodelle auf der Grundlage der verfügbaren Daten erstellen und Vorhersagen auswerten... diese Liste ist nicht natürlich keineswegs vollständig. Ums kurz zu machen: In all diesen Bereichen gibt es Experten. Man nennt sie Klimawissenschaftler. Sie wissen, wovon sie sprechen. Ihre Ergebnisse werden von einer riesigen wissenschaftlichen Maschinerie auf ihre Korrektheit hin überprüft und begutachtet (siehe auch mein Blogartikel #06 (coming soon)). Und sie haben keine andere Agenda als das Streben nach Wissen. Ok, das klingt jetzt viel zu romantisch und übertrieben, ich weiß, aber Klimawissenschaftler sind tatsächlich die zuverlässigste Quelle, wenn es um Fragen des Klimawandels geht. Und warum auch nicht? Wenn Du Dein Auto reparieren lassen willst, fragst Du ja auch einen Mechaniker und keinen Zahnarzt. Wenn Du Dir die Haare machen lassen willst, gehst Du zum Friseur und nicht zum Metzger. Und wenn Du etwas über den Klimawandel wissen willst? Genau... frage einen Klimawissenschaftler.

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Hallo? Wer spricht da?

Der interessierte Leser wird nun wahrscheinlich sein Monokel zurechtrücken und die Frage stellen: "Wenn ich den Wissenschaftlern zuhören soll, wofür zum Teufel brauche ich dann diesen Blog und wer bist Du überhaupt, der Du das alles hier verzapfst?" Ich kann diese wichtige Information also nicht länger zurückhalten: Nein, ich selbst bin kein Klimawissenschaftler. Ich gehöre nicht zu den Experten, von denen ich im vorigen Absatz gesprochen habe. Puh, okay... das war ein schweres Eingeständnis. Aber nichtsdestotrotz hoffe ich sehr, dass ich den Lesern dieses Blogs trotzdem von Nutzen sein kann. Ich habe einen naturwissenschaftlichen Hintergrund, habe in Theoretischer Biophysik promoviert und war zehn Jahre lang im akademischen Bereich tätig, habe zahlreiche Publikationen in meinem Fachgebiet (Computerbiologie und Modellierung) gelesen und auch einige eigene veröffentlicht. Das macht mich natürlich nicht zu einem Experten für Fragen des Klimawandels, ganz und gar nicht. Aber ich habe viel Erfahrung damit, wie der wissenschaftliche Prozess funktioniert, wie wissenschaftliche Publikationen gelesen werden, wie Daten analysiert werden und wie Menschen Daten leicht falsch interpretieren oder ihre Aussagen verfälschen können. Ausgestattet mit diesen Fähigkeiten habe ich nun mehrere Jahre damit verbracht, viele Details über den Klimawandel zu lernen. Ich habe mit Menschen zusammengearbeitet, die seit Jahrzehnten in der Klimawissenschaft und Klimawissenschafts-Kommunikation tätig sind und viel von ihnen gelernt. Vor allem habe ich gelernt, Fehlinformationen zu erkennen und zu korrigieren (mehr dazu in meinem zweiten Blogbeitrag). Bin ich also jetzt die perfekte Quelle, um sich eine Meinung zum Klimawandel zu bilden? Vielleicht nicht. Aber auf meinem Weg zum Verständnis des Klimawandels und der ihm zugrundeliegenden Fragen habe ich Stunden um Stunden damit verbracht, mich in Themen zu verlieren und orientierungslos durchs Netz zu taumeln. Ich weiß, dass es da draußen viele Menschen gibt, die jeden Tag dasselbe tun und sich dabei vermutlich ebenso verloren fühlen. Und wenn ich nur einige dieser Menschen erreichen kann und ihnen vielleicht etwas Klarheit in diesen schwierigen Themenkomplexen vermitteln kann, dann wird sich das ganze Schreiben schon gelohnt haben. Es ist nicht leicht, den Klimawandel zu verstehen - aber es ist wichtig und man kann es durchaus schaffen.

Was ich Dir in diesem Blog erzähle, soll nicht so funktionieren, dass ich Dir meine Meinungen mit einem Trichter in den Hals drücke. Stattdessen geht es um mein Bemühen, wissenschaftliche Informationen für Menschen ohne wissenschaftlichen Hintergrund verständlicher und zugänglicher zu machen. Das ist ein klassischer Fall der klimawissenschaftlichen Kommunikation. Ich bin bei weitem nicht der Erste, der dies tut, und ich werde weder der Letzte noch der Beste sein. Aber ich versuche, diese wichtigen Themen so gut wie möglich zu erklären, damit mehr Menschen die Dringlichkeit des Klimawandels erkennen.

#00: Noch ein Blog übers Klima: Warum nur?

Falls Ihr Euch fragt, wo eigentlich die Kommentarfunktion ist, oder wer ich eigentlich bin, dass ich hier über Klimawissenschaften und Kommunikation schreibe... schaut gern mal in meinen Disclaimer hier.